Manfred Hammes
                 




Hammes Augenleiste
„Horizonte“ Malerei und Objekte von 1983 bis 2006"
Eröffnungsrede von Dorothèe Gelderblom im Kunstraum Königswinter am 17.09.2006
Meine Damen und Herren, liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde, die Sie heute Gäste im Kunstraum Königswinter sind!

In der Einladung zur Ausstellung haben Sie gelesen, dass der Künstler Manfred Hammes, dessen Werke heute hier zur Ausstellung kommen, nicht mehr lebt. Er ist vor sechs Monaten nach schwerer Krankheit gestorben.
Diese Ausstellung ist die erste, die nach seinem Tod stattfindet, und Karin Meiner, seine Lebens- und Künstlerpartnerin hat sich entschlossen das Ausstellungsangebot von Herrn Heinrich Zoeller anzunehmen, wissend, dass ihr Mann dies ganz gewiss gemacht hätte. Manfred Hammes zeigte seine Arbeiten gerne und besonders hätte ihn auch gereizt sich an einem für ihn neuen Ausstellungsort vorzustellen.

Im Folgenden werde ich das Leben von Manfred Hammes umreißen, Grundtendenzen seines Werkes aufzeigen im Hinblick auf Themen und Arbeitsweisen und abschließend kurz auf diese Ausstellung eingehen.

Manfred Hammes, 1954 in Andernach geboren, studierte in den Jahren von 1979 bis 1985 Graphik und Design an der Fachhochschule Aachen und Freie Malerei an der Werkkunstschule Köln, wo auch Daniel Spoerri zu seinen Lehrern gehörte.
Von Beginn an entschied er sich mit Karin Meiner für das Leben als freischaffende Künstler, was im Klartext heißt, dass berufliche Freiheit und Unabhängigkeit Disziplin, enormen Fleiß und die Bereitschaft zu materiellen Entbehrungen voraussetzten, aber auch Vertrauen in das eigene Können.
Seit 1983 war Hammes freischaffend in den Bereichen Malerei, Performance, Multi-Media-Theater und Objektkunst und schuf in den letzten Jahren größere Arbeiten für den öffentlichen Raum, dies meist in Zusammenarbeit mit Karin Meiner.
Mit ihr lebte er in Burgbrohl, doch gingen die künstlerischen Aktivitäten weit über die Region hinaus. In der Kölner Kunstszene war er fest verankert. Seit 1985 beteiligte er sich an zahlreichen Ausstellungen und Projekten und hatte Einzelausstellungen im In- und Ausland.
Er machte Studienreisen in die USA, nach Frankreich, in viele osteuropäische Länder, nach Marokko, nach Indien und Thailand, die meisten gemeinsam mit Karin Meiner.
Auch als er um seine schwere Erkrankung wusste und gegen sie kämpfte, blieb die Arbeit für ihn existentiell wichtig. Er arbeitete bis zu seinen letzten Lebenstagen. Am 13. März 2006 starb Manfred Hammes.

Das Werk von Manfred Hammes ist gekennzeichnet durch die Auseinandersetzung mit drei Themen: Landschaft – Mensch – die Dimension der Zeit. Sie entwickeln sich unabhängig voneinander, sind aber aufeinander bezogen und fügen sich zu komplexen Bildwelten zusammen.

Deutlich wird dies an der eigenwilligen Art des Künstlers die Bildfläche aufzuteilen, vor allem in seinen früheren Arbeiten. Er teilt die Bildfläche durch eine Vertikale und eine Horizontale in vier voneinander getrennte, verschieden große Bildfelder auf.
Das größte dieser Bildfelder wird von einer Landschaft eingenommen.
Landschaft nicht im klassischen Sinne als Darstellung einer identifizierbaren bestimmten, sondern als eine imaginäre, die er sehr malerisch und in subtiler Farbgebung ausführt.
Unberührt ist diese Landschaft nicht. Elemente der Zivilisation gehören zu ihr, am häufigsten eine Rundbogenbrücke, aber auch Mauerreste, Burgen, Türme.
Zeichen der Zivilisation sind aber auch eine hingekritzelte Telefonnummer, ein Wort, der abgerissene Fetzen einer Zeitung, von lasierender Farbe übermalt und deshalb erst auf den zweiten Blick wahrnehmbar.

In das daneben liegende zweite schmalere Bildfeld setzt Hammes eine schlanke hoch aufgerichtete menschliche Gestalt, oft mit erhobenen Armen, die Höhe noch betont durch einen Pfeil in der Hand.
Seine Haltung und Blickrichtung sind der Landschaft zugewandt, manchmal wird durch die weit ausholende Bewegung des Armes die Verbindung zur Landschaft direkt hergestellt.
Irgendwann kennzeichnet Hammes die menschliche Gestalt durch ein übergroßes Auge oder durch mehrere Augen. Die Augen werden zum beherrschenden Bestandteil der Figur, Augen schweben losgelöst von der Figur über dem Bild, Augen werden statt in die menschliche Figur in ein technisches Gerüst gesetzt, die Ganzfigur schließlich auf einen großäugigen Profilkopf reduziert.
Der Mensch wird zum ‚Seher‘, wie Hammes ihn nennt. Den Menschen als Seher thematisiert Hammes in seinen Arbeiten immer wieder neu, fasziniert von den unterschiedlichen Aspekten des Sehens: Sehen als aktiver Sinnesleistung, Sehen als passives GESEHEN-WERDEN, der Beobachtung ausgesetzt sein und dem Sehen als aktiver geistiger Auseinandersetzung, aus der EIN-SEHEN zu gewinnen ist über sich selbst, über Menschsein in einer immer komplexer werdenden Lebenswelt.

In dem schmalen Bildfeld unter der Landschaft finden sich Ornamentbänder in graphischer Reihung: Grundformen wie Kreis, Dreieck, Viereck, dann Lilie, Fisch, Labyrinth, ein springender Widder, manchmal auch den Kopf einer Mickymaus. ‚Ethnomotive‘ nennt Hammes diese Ornamentbänder. Diese archaisch anmutenden Zeichenfolgen bringen den abstrakten Begriff der Zeit in das Bild, durch die der Künstler auf Vergangenheit und Gegenwart und ihre unterschiedlichen Formen von Erkenntnis und Wissen verweist (vgl. Butin 1995).

In das vierte und kleinste Bildfeld schließlich setzt Hammes kraftvoll Signatur und Entstehungsjahr.

Später verzichtet Hammes zunehmend auf die strenge Bildaufteilung mittels zweier Linien. Die einzelnen Bildteile verschmelzen miteinander, doch bleiben sie im Aufbau des Bildes nachvollziehbar.

Wenn Sie sich ein Bild von Manfred Hammes aus der Nähe ansehen, können Sie seine Arbeitweise entdecken, die geprägt ist von großer Experimentierfreude und es wird klar, warum von seinen Bildern eine starke Anmutung ausgeht.
Farben kommen nicht nur aus der Tube, er setzt Farben von Naturmaterialien mit ein: Eisenerde, Sand, Lavastaub, farbige Steinsplitter – oft wochenlang beharrlich zusammengesucht.
Viele seiner Bilder sind collageartig zusammengefügt, denn außer mit Farbe malt er mit Pappe, Wellpappe, Seiden- und Ölpapieren, Metallfolien, Zeitungsabschnitten, Reklamepapieren, farbigen Verpackungen und Photos. Schellack gibt einzelnen Bildfeldern ihren Glanz, Silikon und Fundstücke eine gewisse Plastizität.
Das gilt auch für viele Papierarbeiten des Künstlers, die darüber hinaus durch ihre Zartheit und große Sensibilität überzeugen.

Ich selbst fühle mich oft an den großen Kurt Schwitters erinnert, wenn ich die Bilder von Hammes in ihrer subtil-vielfältigen Farbgebung und mit dem unbekümmerten, aber mit sicherer Hand ausgeführten Einsatz von Fundstücken betrachte und seinen feinen Humor in vielen Details entdecke.

In den 90er Jahren beginnt Hammes auch plastisch zu arbeiten. Der Seher und andere aus seinen Bildern vertraute Zeichen treten aus der Zweidimensionalität des Bildes heraus. Er zeichnet sie auf Holzplatten, schneidet sie aus, stellt sie auf einen Sockel - oft sind dies Bücher -, malt sie an und nennt sie „CUT-OUTS“. Ihre ‚Unräumlichkeit‘ durchbricht er oft an gezielter Stelle, wenn er bewegliche Elemente, z.B. ein Auge, einen Widder, einfügt, durch die die Räumlichkeit der Cut-Outs definiert wird. (vgl. Silke Feldhoff)
Am Skulpturenweg in Maifeld oder im Park der Klinik in Andernach finden Sie große Seherfiguren von Manfred Hammes; es lohnt sich sie aufzusuchen. Der Anblick wird Sie erfreuen.

Abschließend noch wenige Sätze zu dem Spezifischen dieser Ausstellung:
Wenn Karin Meiner dieser Ausstellung den Untertitel „Arbeiten von 1983 bis 2006“ gab, beinhaltete dies aus dem Gesamtwerk auszuwählen. Dabei musste der Bogen notwendigerweise in Riesenschritten gespannt werden und bei der Auswahl blieb ihr immer das Gefühl: Die Wände sind voll, aber ich würde ja gerne noch ...... so viel zeigen . (Verweis auf offenes Atelier am kommenden Wochenende)

Einige Arbeiten hier sind im Vergleich zu den übrigen einzigartig: sie entstanden in den letzten Lebensmonaten und –wochen des Künstlers. Es sind die drei kleinen quadratischen Gemälde und die fünf Papierarbeiten am Durchgang zwischen den beiden Ausstellungsräumen.
Zunächst wird deutlich, dass Hammes bis zuletzt experimentierte, indem er z.B. Plastikkarten zum Farbauftrag benutzte. Vorher hatte er genau getestet, in welcher Reihenfolge er die Farben auf die Karte geben musste, um die von ihm gewünschte Farbgebung zu erreichen.
Darüber hinaus werden Sie große stilistische Veränderungen bemerken: Ausschließlich Elemente der Landschaft – oft sehr flüchtig – eilig – ausgeführt – sind als wiedererkennbares Motiv geblieben. Mensch, Ornamentband und Signatur fehlen völlig. Das weitaus größte Bildfeld ist in abstrakt-expressiver Malweise im Wortsinne „in Fluss geraten“ oder blieb ausgespart. Noch einmal hat Hammes künstlerisch eine rasante Entwicklung vollzogen.
Paul Klee schrieb 1920 in seiner „Schöpferischen Konfession“:
„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“
Das ist eine wunderbare Beschreibung und Interpretation der letzten Werke von Manfred Hammes, für den Kunst sein Leben war.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen anregend-inspirierende Seherlebnisse mit den Werken von Manfred Hammes.



Dorothée Gelderblom
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