Manfred Hammes
                 




Hammes Augenleiste
Vortrag "Retrospektive Manfred Hammes +"
Eröffnungsrede von Jürgen Raap - Galerie Diede 10. März 2007
Jürgen Raap

Vortrag Retrospektive Manfred Hammes +

Haus der Kunst/ Galerie Diede Burgbrohl 10. März 2007


Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie zu dieser Retrospektive von Manfred Hammes.

Er lebte von 1954 bis 2006, wurde also nur 52 Jahre alt, und wenn ein Künstler dann so vorzeitig aus dem Leben gerissen wird, kann man nicht von ihm behaupten, er habe ein abgeschlossenes Lebenswerk hinterlassen.

Ein Künstler selbst hat nie das Gefühl, mit seiner Arbeit etwas Endgültiges erreicht zu haben,
er geht auch nicht mit 65 Jahren so einfach in Pension.

Es ist das Bestreben eines jeden Malers, an seinen Bildern zu wachsen, mit jedem neuen Werk das bisher Geschaffene übertreffen zu wollen

und nur wenn der Künstler tatsächlich den Ehrgeiz hat, mit solch einer Ernsthaftigkeit seine Arbeit zu betreiben, dann ist er wirklich gut.

Ich erwähne das als Einstieg, weil heutzutage manche Maler allzu ungeduldig erwarten,
dass man sie schon in ganz jungen Jahren mit viel Ruhm und viel Geld überschüttet.

Sie bedienen nur noch den Markt mit dekorativen Nettigkeiten
Für Leute mit viel Geld und wenig Geschmack

Ich war letzte Woche auf einer Vernissage, wo ich der einzige war, der sich überhaupt die Bilder anschaute.
Die anderen Gäste, zumeist alle schwarz gekleidet und mit modischer Türsteher-Frisur, d.h. kahl rasiertem Schädel, übten sich in jener Plapprigkeit, die man „small talk“ nennt. Eine elegant auftretende Dame aus Düsseldorf wirkte sichtlich gelangweilt. Denn es ist das Privileg derjenigen, die schon alles haben, das sie sich immer nur langweilen, und diese Dame fragte mich, ob ich denn nicht auch der Meinung sei, die Partys in Miami seien besser die in Köln. Eigentlich hatte die Dame keinen Anlass zur Klage, denn die gastronomische Bewirtung auf dieser Vernissage bestand aus Designer Food Brotstückchen, etwa in jener Größe, mit denen man im Park die Enten füttert. Und dazu Dippsaucen in schmalen Reagenzgläsern. Die wirklich zu schmal waren als dass man das Brot hätte hineintunken können. Aber wahrscheinlich ist es derzeit in Miami total hip, Brotaufstrich in Reagenzgläsern zu reichen.

Ich fragte mich insgeheim, wie Manfred Hammes sich wohl auf dieser Vernissage gefühlt hätte,

wie er das Geschehen kommentiert hätte.

Ja, am Tag dieser seltsamen Vernissage war ich noch damit beschäftigt, mich auf diesen Vortrag vorzubreiten,

und ich dachte daran,

dass Manfred Hammes diese Verwerfungen des Kunstmarktes in seinen Bildern immer wieder auf satirische Weise gegeißelt hat,

mit einem herzerfrischenden Humor, der die Galligkeit mildert,

denn der Satiriker leidet immer an den Unzulänglichkeiten der Welt,
und er transportiert in seinen Satiren immer die Utopie
dass die Welt sich zum besseren wenden möge.

Manfred Hammes attackierte mit Lust diesen Kunstbetrieb

Weil dieser vor allem aus „Betrieb“ besteht,
und weil in dieser Betriebsamkeit des Event-Klamauks
die Kunst selbst zur Nebensache gerät.

Ich freue mich, dass diese Retrospektive, die wir heute Abend eröffnen,
einige Beispiele über diese satirische Seite von Manfred Hammes zeigt,

es ist eine heftige, eine engagierte Seite, kein Blatt vor den Mund nehmend.

Und wenn einer die Welt so betrachtet,
dann ist es nahe liegend,
dass er als Künstler auch dem Medium „Comic“ widmet,

wie dies Manfred Hammes in seiner Schaffensphase um das Jahr 1992 getan hat…

Comic heißt komisch,
Comic-Bilder sind also ursprünglich ein lustiges Medium,

aber dieses Medium erlaubt auch einen ernsthaften, soziologisch-analytischen Blick,
wenn Sie etwa an die Comics von Robert Crumb denken.

Der Kölner Künstlerverein 68elf zeigte 1992 eine Ausstellung
„Flirt dem Comic“
und gab dazu eine kleine Publikation heraus,
auch mit einem Beitrag von Manfred Hammes

mit einer Parodie auf Micky Maus und mit einer Ironisierung des Künstlerdaseins.

Micky Maus repräsentiert hier keineswegs die Illusion einer mittelständischen, sauberen, rechtschaffenen amerikanischen Gesellschaft wie in Walt Disneys Original:

Bei Hammes ist Micky Maus vielmehr ein gargantuesker Trunkenbold mit einem Brummschädel, über dem die Sterne kreisen,
in der einen Hand ein Glas haltend, in dem ein Fisch schwimmt,
in der anderen Hand eine Menschenfigur mit der Gabel aufspießend.

In einem andern Bild hat Micky Maus eine Zigarettenkippe lässig im Mundwinkel hängen – ein Affront gegen das puritanische Amerika!

Micky wirft die Kettensäge an, und das verheißt nichts Gutes.

In einer dieser Comic-Zeichnungen sieht man auch einen Künstler mit einer Palette in der einen Hand,
Mit der anderen nimmt er Maß
Und auf dem Kopf hat er anstatt einer Hirnschale ein Stillleben mit Vase, Flasche und Trinkglas.

In beiden Bildern werden Klischeevorstellungen und Rollenmuster kritisch befragt,
und was hier ikonografisch vorgeführt wird,

das lässt inhaltlich und auch stilistisch enge Wechselbezüge zur Malerei erkennen.

1993 tauchen aus den Comics z.B. die Micky Maus-Figuren in der Malerei auf

Oder auch das Motiv des Doppelgesichts

Und immer wieder Augen…

Für einen Maler symbolisieren Augen das Sehen als solches

Die sinnliche Wahrnehmung als Basis jeglicher Welterfahrung,
auch für den Betrachter dieser Bilder…

Man kann aber gewiss nicht behaupten, dass Manfred Hammes in erster Linie „nur“ Maler war.

Dazu ist sein bildnerisches Gesamtwerk zu vielschichtig.

Er zeichnete, und dies mit einer wahren Freude und Obszession,
ja, wer ihn kannte, der weiß: Manfred hatte das Bedürfnis, fast täglich mit einem Stift und einem Blatt Papier umzugehen.
Und wer selber künstlerisch tätig ist, der kennt auch einen solchen Schaffensdrang als Antriebskraft…

Natürlich muss ein Künstler auch Reflektieren, was den Inhalt der Bilder angeht,

und was das Einnehmen der Position einer kritischen und
auch selbstkritischen Distanz angeht

wo man sich als Künstler immer wieder selber fragt: Ist mir dieses Werk gelungen oder nicht?

Denn der gelegentlich notwendige Zweifel verhindert, dass man im Erfolg allzu übermütig wird.


Aber davon abgesehen: Wirklich wichtig ist für einen Künstler vor allem das Machen

Das Ausprobieren, das Ausleben von Neugier…

Jedes dieser Bilder hier transportiert die Botschaft:
Kunstmachen ist ein Abenteuer!

Der Künstler ist ein Freibeuter der Sinne und ein Freibeuter der Formen…

Alles ist denkbar, alles ist visualisierbar,
und das Einzige, was man einem Künstler wünschen kann,
das ist:

Er möge im Erfolg und unter den Zwängen des Kunstmarktes niemals die Freude am Machen verlieren!

Mit dieser Freude am Machen weist das bildnerische Werk von Manfred Hammes
durchgehend ein großes Interesse am Experiment mit den verschiedensten Materialien und an der Kombination unterschiedlicher Techniken aus…

Er kombinierte Monotypien, also einfache Farbdrucke nach dem Abklatschverfahren

mit Collagen,

und mit Frottagen, also Abreibungen

und mit Fotokopien.

Er schuf Styropor- und Siebdrucke, Linol- und Holzschnitte,

und er verband diese Drucktechniken dann immer wieder mit Malerei und Zeichnung,


Er schuf Skulpturen und er machte auch Performances…

Noch vor wenigen Tagen hat mir der Berliner Künstler Johannes Deimling,
der ursprünglich auch hier aus Andernach stammt, berichtet, dass Manfred Hammes und Karin Meiner ihn dazu ermuntert hätten, Performancekünstler zu werden und Johannes Deimling ist den beiden bis heute für diese Anregung dankbar.

Manfred Hammes studierte Grafik Design in Aachen und Köln,
und dabei besuchte er auch die Multimedia-Klasse von Daniel Spoerri an den Kölner Werkschulen,

bei dem ich selbst auch studierte,

so dass ich weiß, dass sehr Spoerri seine Studenten dazu anhielt, neben seinem Lehrprogramm auch noch unbedingt
eine Maler- oder Bildhauerklasse zu besuchen,
um das künstlerische Handwerk sicher zu beherrschen.

So entstanden um 1987 / 1990 „Kleine Landschaften“ in handwerklich virtuoser Farbbehandlung,
Kompositorisch aufgeteilt in vier Felder,
wobei im rechten Teil, später links immer Menschensilhouetten auftauchen,

im Feld daneben die Landschaft und unten ornamentale Momente.

Es fällt auf, dass die Menschenfigur immer außerhalb der Natur zu stehen scheint,
d.h. sie ist durch eine deutliche vertikale Linie von der Landschaft abgeteilt,
ausgegrenzt, ja, das sind Grenzlinien.

Die Ornamente haben einen zeichenhaft-mythologischen Charakter;

Sie verweisen auf eine archaische Sicht der Dinge, und in deren Visualisierung
finden wir jeglichen Ursprung der Kunst.

Hier prallen also Gegensätze aufeinander – der Mensch als entrücktes Kulturwesen und die Landschaft als Natursphäre
Eine moderne wissenschaftlich geprägte Weltsicht und der Rekurs auf die alten Muster der Naturdeutung.

Mit dieser Konstruktion von Gegensätzlichkeit verweist Hammes zugleich auf den soziologisch bedingten Wandel in der Geschichte der Landschaftsmalerei:

Waren die Bewohner der mittelalterlichen Städte größtenteils noch Ackerbürger gewesen, die mit land- und gartenwirtschaftlicher Nebenbetätigung eine autarke Hauswirtschaft anstrebten,
so wurde mit Beginn des Industriezeitalters dieser bäuerliche Einschlag in den Städten schließlich fast völlig zurückgedrängt.

Als reine Stadtbürger verlangte das urbane Publikum schließlich nach einer künstlichen Natur in Form von Parks; und dazu passend bevorzugte es seit dem Barockzeitalter mehr und mehr eine Landschaftsmalerei mit stilisiertem Pathos.

Der (vorgefundenen) Schönheit der Natur wurde schließlich eine eigene, selbst konstruierte Schönheit entgegengesetzt.

Zeitlich parallel zu dieser kunsthistorischen Entwicklung büßte die Naturphilosophie ihre Bedeutung ein, als sie im 19. Jh. durch die Naturwissenschaften abgelöst wurde:

War die Naturphilosophie ausdrücklich an die Metaphysik gebunden, so folgt nun die Naturwissenschaft den Prinzipien von Messmethoden und logisch-experimenteller Überprüfbarkeit.

Die Landschaften von Manfred Hammes zeigen phantastische Elemente, und damit hat er die Metaphysik in die Landschaftsdarstellung zurückgeholt,
freilich nicht im Sinne der italienischen pittura metafisica.

An diese Landschaften schließen sich dann um 1992 die erwähnten Comics an und um 1994 dann plastische Arbeiten,

sogenannte Cut Outs , Ausschnitte aus Holz,die dann Ende der neunziger Jahre stofflich variiert werden,
als zwei bis fünf Meter hohe Edelstahlskulpturen.

Die Formensprache zeigt immer wieder silhouettenhafte Köpfe, die sich aus der Malerei entwickelte.

Das Auge mit dem Fernseher oder die Anhäufung von Augen werden in die plastischen Arbeiten übersetzt, wobei in der Skulptur das Auge dann oft als Negativform, d.h. als Aussparung behandelt wird

als ein Loch im Kopf, durch das man hindurchsehen kann:
Der Betrachter sieht mit dem Auge, d.h. mit seinem eigenen
durch das Auge der Skulptur und zwar hindurch.

Eine chronologische Werkentwicklung ist schwer zu beschreiben,
da Manfred Hammes vor allem in den neunziger Jahren in verschiedenen Stilen und Techniken
immer wieder parallel gearbeitet hat,
d.h. die Stilistik von Malerei, Zeichnung, Comics und Cut Out-Skulpturen entwickelte sich nebeneinander.

In den jüngeren malerischen Arbeiten verzichtete er dann allerdings auf die Aufteilung der Bildfläche in solche Felder,

und die Landschaften werden dann auch abstrakter bzw. in Farbflächen aufgelöst.

In den Papierarbeiten mit Collagen um 1996 lässt er jedoch links immer ein Menschengesicht im Profil auftauchen,
als Symbol für den Menschen an sich,
und diese Figur wird dann um 1998 in die erwähnten Cut-Outs aus Edelstahl übertragen.

1999 malt er „Vanitas“ und „Eternity“, zwei kunsthistorische Topoi,
Frauenfiguren mit hohem Symbolgehalt,
und für die Maler früherer Jahrhunderte hatten diese symbolisch-mythologischen Frauenfiguren in der Malerei
eine ähnlich kultische Bedeutung wie sie heute die profanen Models erringen.


Models malte Hammes schon in den achtziger Jahren, wobei die Figuren oft zeichnerisch angelegt sind,
mit klarer Betonung der Konturen und expressiver Verzerrung der Körper
oder er fügte in seine Collagen Zitate aus Frauenzeitschriften ein,

und in diesem Zusammenhang sammelte er für seinen bildnerischen Fundus auch obskure Meldungen aus Zeitungen.

Beim Zeichnen hörte Manfred Hammes oft Radio,
und das Gehörte, etwa die Nachrichten aus dem ersten Irak-Krieg 1991, flossen dann in seine Bildwelt ein, wurden z.B. mit Kamasutra-Motive kombiniert,
als Chiffre für die Verbindung von „Sex und Tod“ bzw. Sex und kriegerischer Gewalt.

Solche Pointierungen geschahen oft intuitiv – es sind also nicht unbedingt dramaturgisch exakt kalkulierte Bilderzählungen,
sondern sehr emotionale und intuitive Äußerungen.

Diese Arbeiten, vor allem die Zeichnungen, sind meistens seriell angelegt.

Zum Ende dieses kleinen monografischen Abrisses blieben noch
die Reisebilder zu erwähnen,
als erste Phase entstanden unterwegs, z.B. auf einer Reise durch Thailand 1998,
Studien, die dann später zu Hause in Bilder umgesetzt wurden,

kombiniert mit Goldblättchen, die man dort im Tempel verbrennt oder mit Busfahrkarten und hier schließt sich der Kreis zu den frühen Landschaftsbildern und Collagen,

ich hoffe, ich habe Ihnen das Werk von Manfred Hammes etwas näher bringen können
und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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